16/02/2022 at 7:57 in Technik

Leider kein perfekter Mini-Linux-Rechner

Der Devterm will ein tragbarer Bastelrechner sein - im Test von Golem.de zeigt das Gerät aber einige Schwächen, die uns die Laune vermiesen.

Ein Einplatinenrechner ist eine feine Sache: klein, sparsam beim Powermanagement, variabel beim Programmieren und mittlerweile auch ziemlich leistungsfähig. Für unterwegs sind Raspberry Pi und Co. aber eher nicht geeignet - das will Clockwork mit dem Devterm ändern. Er ist ein kleiner Laptop im Retro-Design, in dem verschiedene Entwicklerboards als Rechenkerne verwendet werden können.

Wir haben uns den Devterm mit dem A04-Board samt 2 GByte Arbeitsspeicher bestellt. Das A04-Board ist ARM-basiert und eine etwas leistungsfähigere Alternative zum Raspberry Pi CM3, mit dem der Devterm ebenfalls erhältlich ist - zu den unterschiedlichen Core-Modulen aber später mehr. Das Konzept gefällt uns, stellenweise überwiegt das "Bastel" in "Bastelrechner" aber etwas zu sehr.

Der Devterm sieht aus wie ein Laptop aus den frühen 1980er Jahren. Das Display ist 6,8 Zoll groß, hat mit 16:6 allerdings ein heutzutage ungewöhnlich breites Format. Es handelt sich um ein gut ablesbares, blickwinkelstabiles und ausreichend scharfes IPS-Panel, dessen Auflösung bei 1.280 x 480 Pixeln liegt. Unterhalb des Bildschirms ist eine Tastatur verbaut, die der Hersteller als "65-Prozent-Tastatur" bezeichnet. Sie bietet zwar alle wichtigen Tasten, ist aber deutlich kleiner als eine herkömmliche Tastatur - dazu später mehr.

Trackball, Maustasten und Gaming-Controller sind eingebaut

Am oberen Rand ist ein kleiner Trackball mit Klick verbaut, über den wir den Mauszeiger des Clockwork OS genannten Betriebssystems steuern können. Unter der Tastatur befinden sich drei Mausbuttons. Oberhalb der Tastatur gibt es zudem vier Richtungstasten und vier Buttons, die für Spiele verwendet werden können.

An Anschlüssen hat das Devterm drei USB-A-Buchsen, einen USB-C-Anschluss zum Aufladen, einen Kopfhöreranschluss sowie einen Speicherkartensteckplatz. Der Rechner kommt mit einer 32-GByte-Karte mit dem Betriebssystem. Am oberen rechten Rand ist ein Expansion-Port verbaut, an den ein Thermodrucker angeschlossen werden kann.

Bevor wir den Devterm verwenden können, müssen wir ihn zunächst zusammenbauen - das Gerät gibt es nur als Kit. Der Zusammenbau erfordert keine Lötarbeiten und ist dank der guten Anleitung und der guten Teile eher einfach. Die einzelnen Teile werden über festsitzende Steckverbindungen miteinander verbunden. Mitgelieferte Abstandshalter sorgen dafür, dass nach dem Zusammenbau alles ohne Klappern hält. Das Gehäuse wirkt sehr hochwertig, am Ende macht der Devterm einen professionellen Eindruck.

Beim Zusammenbau bemerken wir schnell das clevere Design des Rechners.

Gutes modulares Design und einfacher Zusammenbau

Die Macher haben das Mainboard und das Board mit dem Rechenkern getrennt. Auf diese Weise lassen sich die Core-Boards auch im Nachhinein einfach austauschen - etwa, wenn ein leistungsfähigeres gekauft wird. Die Clockwork-Core-Boards haben den gleichen 200-Pin-SO-DIMM-Anschluss wie der Raspberry Pi CM3, der ebenfalls verwendet werden kann.

Das Clockwork-Team, das aus nur sieben Personen besteht und neben der Hardware auch die Software in Eigenregie verantwortet, bietet zwei eigene Core-Module an. Das A04 nutzt das Allwinner SoC H6 mit einer CPU aus vier ARM-A53-Kernen und einer Mali-T720 als Grafikeinheit. Das Core-Modul A06 ist leistungsfähiger: Es nutzt das Rockchip-SoC RK3399 und verwendet damit eine Sechskern-CPU mit vier ARM-A53-Kernen und zwei ARM-A72-Kernen.

Als Grafikeinheit kommt eine Mali-T864 zum Einsatz. Das Devterm mit A04-Modul ist aktuell mit 2 GByte Arbeitsspeicher erhältlich, das A06-Modell mit 4 GByte RAM. Die Grundausstattung ist damit vergleichbar mit derzeit üblichen Linux-Bastelplatinen wie Orange Pi 3 und 4 oder Pinephone Pro.

Mainboard und Rechenboard sind getrennt

Das Clockwork Pi v3.14 genannte Mainboard beherbergt unter anderem einen USB-A-Anschluss, den USB-C-Ladeanschluss, den Kopfhöreranschluss, die Steckanschlüsse für das Batteriemodul und den Bildschirm (MIPI), den Antennenport sowie einen 40-Pin-GPIO-Anschluss. Zusätzlich zum eigentlichen Mainboard gibt es noch das sogenannte Ext. Module. Dort befinden sich beispielsweise zwei der drei USB-Anschlüsse, ein Lüfter, die Steck-Interfaces für den Drucker und eine Kamera (MIPI-CSI) sowie ein UART-Debugging-Anschluss.

Die gesamte Konstruktion ist sehr modular, bei Defekten an einem der Boards kann dieses leicht ausgetauscht werden. Die Variabilität bei den Rechenkernen ermöglicht es Nutzern zudem, den Devterm mit der passenden Rechenleistung zu unterschiedlichen Preisen zu kaufen. Auch die Tastatur und das Display lassen sich nach dem Zusammenbau in wenigen Schritten wieder entnehmen und etwa bei einem Defekt austauschen.

Nachdem wir den Devterm zusammengebaut und die mitgelieferte Micro-SD-Karte eingesteckt haben, ist der Rechner fast einsatzbereit. Aus logistischen Gründen hat Clockwork keine Akkus beigelegt - ansonsten wäre der Versand wohl deutlich teurer geworden. Wir müssen noch zwei 18650-Akkus separat kaufen und in das Batteriefach stecken, dann kann es mit einem langen Druck auf den Einschalter losgehen. Derartige Akkus werden häufig in Vaping-Geräten verwendet und sind entsprechend leicht zu bekommen.

Ausgeliefert wird der Devterm mit Clockwork OS. Dabei handelt es sich laut den Informationen auf dem System um eine angepasste Version von Armbian, einer Meta-Linux-Distribution, die speziell für den Einsatz mit Single-Board-Computern gedacht ist. Entwickler können darüber Linux-Abbilder für die eigenen Platine bauen, was die Community des Devterm auch macht.

Bastel-Linux für den Devterm

 

Ein Blick in den Code auf Github verrät schnell, was und wie genau das Team hier für den Einsatz auf dem Devterm anpasst. Die Patches umfassen für die Core-Module-Boards jeweils mehrere Tausend Zeilen Code, die teils von den SoC-Herstellern selbst stammen und schnell zusammengewürfelt wirken, damit der Rechner wenigstens nutzbar ist. Dass das System eher fix zusammengeschustert ist, merken wir auch an dem Treiber für den Trackball sowie den Audio-Treiber, die wir beide austauschen müssen, was aber immerhin dank Community-Unterstützung geht.

Das vom Devterm-Team gebaute Linux-Image basiert darüber hinaus auf einer veralteten Version des Langzeit-Kernels 5.10. Wie schon zuvor bei vielen ähnlichen Linux-Bastelprojekten und -Platinen scheint eine Upstream-Arbeit im Linux-Kernel und damit sogenannter Mainline-Support für die Devterm-Community zunächst eher nachrangig - falls diese überhaupt noch kommen sollte.

Das Team erstellt außerdem zahlreiche weitere Anpassungen für das Gerät, wie etwa System-Daemons für den Drucker oder auch für Lüfter und Temperatur-Steuerung. Auch hier gilt wieder, dass ein langfristiger Software-Support nicht erwartet werden sollte und jene, die den Devterm selbst besitzen, sich unter Umständen selbst helfen müssen, um das Gerät auch in einigen Jahren noch mit aktueller Software zu betreiben.

Entwickler probieren auf proprietäre Software zu verzichten

Davon abgesehen ist positiv hervorzuheben, dass das Devterm-Team zumindest probiert, auf proprietäre Bestandteile der Hardware-Hersteller zu verzichten und so etwa der freie Linux-ARM-Grafiktreiber Pandfrost für die Mali-GPU zum Einsatz kommt. Dieser unterstützt bisher aber nur OpenGL 3.1 und OpenGL ES 3.1. Das kann zu einigen Problemen mit moderner Software führen.

Auch alle weiteren eigenen Software-Komponenten hat das Devterm-Team auf Github unter einer Open-Source-Lizenz zusammengetragen, wie etwa die Tastatur-Firmware. Im Github-Repository finden sich außerdem die Designs der Platine sowie Schaltpläne für die Chips. Elektronikbastler könnten hier direkt einsteigen und an der Weiterentwicklung des Rechners arbeiten oder an ihrem Gerät selbst weiter hacken.

Als Paketquelle für weitere Software nutzt das Team in der aktuellen Version Ubuntu 21.10 alias Hisuite Hippo, so dass sich Zusatzsoftware leicht über die Kommandozeile oder auch grafische Werkzeuge installieren lässt. Nutzer, die bereits Erfahrung mit Linux und den zahlreichen Bastelplatinen wie dem Raspberry Pi haben, sollten also keine größeren Probleme mit dem Devterm haben.

Devterm erinnert an Open Pandora

 

Der Einsatzweck als mobiler Coding-, Entwicklungs- und Bastelrechner wird jedoch klar durch die Tastatur und den Trackball getrübt. Die Tasten haben zwar einen guten Druckpunkt, sind für längeres Tippen allerdings viel zu klein. Wer nicht sehr schmale Finger hat, wird sich mit dem Devterm immer wieder vertippen - was besonders beim Programmieren tückisch sein dürfte.

Zwar ist es dank der Software-Unterstützung aus dem Ubuntu-Repository relativ leicht, die passende und bekannte Entwickler-Software zu finden. So sind etwa auch kleine Programmierprojekte leicht umsetzbar. Aber eben nur schlecht mit der eingebauten Tastatur. Selbst einfachste Aufgaben wie das Herstellen einer SSH-Verbindung rauben wegen der vielen Vertipper Zeit und Nerven.

Eine kleine Bluetooth-Tastatur oder gar ein Smartphone sind im Vergleich dazu deutlich leichter nutzbar. Deren Nutzung statt der eingebauten Tastatur des Devterm konterkariert aber den eigentlichen Zweck des Geräts und wir fragen uns teilweise, ob das Team hier nicht mehr auf Form und Aussehen geachtet hat als auf Praktikabilität.

Open Pandora mit ähnlichem Konzept

Das Konzept eines voll ausgestatten kleinen Linux-Rechners samt Tastatur und Display erinnert uns sehr an das inzwischen mehr als zehn Jahre alte Open Pandora oder dessen noch nicht offiziell verfügbaren Nachfolger Pyra. Beide Geräte sind eher als Handheld zum Spielen gedacht, dank der Tastaturgestaltung lassen sie sich aber auch zum Tippen nutzen, da die Tasten weiter voneinander entfernt sind. Vertipper sind damit deutlich seltener als auf dem Devterm.

Die Gaming-Tasten oberhalb der Tastatur sind wie bei Open Pandora aus ergonomischer Perspektive gesehen sehr gut platziert. Wir können das Devterm wie einen Gaming-Handheld in der Hand halten und zocken. Wir haben unter anderem Retroarch installiert und einige Gaming-Cores ausprobiert. Je nach Spiel funktionieren vor allem die Vierwegetasten mal besser, mal weniger gut. Da es sich nicht um ein D-Pad handelt, sind Diagonalbewegungen schwierig. Auch das hat das Open-Pandora-Team vor mehr als zehn Jahren schon deutlich besser gelöst.

Zudem macht die Leistung unseres A04-Moduls nicht bei allen Retroarch-Cores mit. Bei aufwendigeren Spielen hakt der Sound, eine Vergrößerung der Audiolatenz kann etwas helfen. Grundsätzlich lässt sich Retroarch aber auf einem halbwegs modernen Smartphone besser nutzen als auf dem Devterm. Auch andere Spiele lassen sich auf dem Rechner zocken, wenn man beispielsweise Box64/Box86 installiert - was Nutzer im Devterm-Forum geschafft haben.

Noch schlimmer als die Tastatur und Gaming-Tasten ist der Trackball, dessen Grundidee wir gut finden: Ein Trackball bietet auf kleinstem Raum eine gute Steuerungsmöglichkeit für den Mauszeiger - normalerweise. Dem kleinen Trackball des Devterm fehlt allerdings softwareseitig eine Beschleunigung: Bewegen wir ihn, nimmt das Tempo nicht zu. Entsprechend müssen wir sehr oft über den Trackball streichen, um von einem Ende des Bildschirms zum anderen zu gelangen. Im Alltag treibt uns das in den Wahnsinn.

Nutzergemeinschaft schafft Abhilfe beim Trackball

Mit unserer Kritik am Trackball sind wir nicht allein: Auch die Nutzergemeinschaft findet den Trackball schwach, was glücklicherweise dazu geführt hat, dass ein Nutzer einen neuen Treiber geschrieben hat. Dieser fügt dem kleinen Ball eine Beschleunigung hinzu - je schneller wir ihn drehen, desto schneller bewegt er sich. Das macht die Eingabe wesentlich praktischer.

Der Drucker funktioniert bei uns hingegen auf Anhieb problemlos. Wir können ihn in verschiedenen Programmen als Druckausgabe auswählen, die Thermoeinheit tickert uns dann unsere Bilder und Texte aus. Das Format - eine Kassenrolle - ist natürlich etwas ungewöhnlich; der Drucker ist für uns eher eine Spielerei. Die Rollenaufnahme ist übrigens recht klein, weshalb Standardrollen nicht in die Halterung passen. Wir mussten daher einige Meter abrollen und konnten sie erst dann einlegen.

Clockwork Devterm: Verfügbarkeit und Fazit

 

Der Devterm kostet mit A04-Core-Board und 2 GByte RAM als Bastelkit 260 US-Dollar. Die Version mit dem leistungsfähigeren A06-Core-Board und 4 GByte RAM ist für 340 US-Dollar bestellbar, ebenfalls als Bastelset. Der Devterm mit Raspberry Pi CM3 ist für 250 US-Dollar erhältlich.

Fazit

Linux-Bastelplatinen gibt es seit Jahren unzählige. Umso ungewöhnlicher ist jedoch der Devterm mit seiner Integration von Display und Eingabemöglichkeiten wie Tastatur, Trackball und Gaming-Tasten. Auch wenn er eigentlich kein Gaming-Handheld sein soll, sondern ein Mini-Laptop im Retro-Design ist, erinnert uns der Rechner sehr an die Open Pandora, das Pyra-Handheld und viele weitere ähnliche Geräte wie das GPD Win. Das liegt nicht zuletzt an den Gaming-Eingaben des Devterm.

Interessant ist dabei vor allem der vergleichsweise simple, aber geniale technische Aufbau der modularen Hardware, der vor allem auf die SO-DIMM-Schnittstelle setzt, die vom Raspberry PI CM3 bekannt ist. Eine simple Peripherie mit externen Anschlüssen, ein kleines Mainboard und selbst eigene CM-Module konnte das kleine Team hier schnell in größere Stückzahlen designen und letztlich liefern.

Im Vergleich zum Pyra, dessen Entwicklung bereits 2014 begonnen hat, zeigt sich, dass aktuelle Hardware-Bastelprojekte inzwischen deutlich schneller umsetzbar sind. Das demonstriert auch die Pine64-Community beeindruckend. Doch während das Pyra mit eigenem Akku, SIM-Karten-Slot oder auch Platz für letztlich nicht genutzte Chips auf der Platine sowie ihrem eigenen Modulkonzept etwas overengineered wirkt und deshalb immer noch nicht verfügbar ist, erscheint das Devterm eher underengineered.

Als Nutzer merken wir das vor allem an der Tastatur und dem Trackball sowie an der teilweise hastig zusammengeschustert wirkenden Software. Natürlich erhebt ein Bastelprojekt wie der Devterm nicht den Anspruch, ein perfekt austariertes System zu sein - im Gegenteil: Basteln gehört schließlich mit dazu. Eine bessere Tastatur hätten wir uns aber trotzdem gewünscht, vor allem, um das Gerät für Programmierprojekte nutzen zu können.

Am Ende gefällt uns der Devterm aber irgendwie doch, was vor allem an der modularen Idee und dem Enthusiasmus des Clockwork-Teams liegt. Wir würden uns wünschen, dass die einfache Modularität von Projekten wie dem Devterm und vor allem dessen vergleichsweise schnelle Umsetzung künftig auch in detailverliebten Geräten wie dem Pyra Handheld zum Tragen kommen könnte.

Denn mit besseren Eingabemöglichkeiten wäre der Devterm tatsächlich als kleiner und witziger Mini-Laptop unterwegs nutzbar. In der jetzigen Form bleibt er aber ein Bastelprojekt, das seinen eigenen Zweck konterkariert, so dass wir am Ende doch lieber zum Smartphone und einer externen Tastatur greifen wollen.

Keine Reaktionen









<<< zurück